Tierarzthaftung

Grundlage für die Haftung des Tierarztes ist der Tierarztvertrag

Zwischen dem Auftraggeber (grundsätzlich der Eigentümer des Pferdes) und dem behandelnden Tierarzt wird regelmäßig ein Dienstleistungsvertrag und kein Werkvertrag abgeschlossen. Das führt dazu, dass der behandelnde Tierarzt keinen Behandlungserfolg, sondern lediglich die sorgfältige und gewissenhafte Untersuchung und Behandlung des Pferdes nach den Regeln der ärztlichen Kunst (lege artis) schuldet. Der Tierarzt hat also auch dann einen Anspruch auf Zahlung seines Honorars, wenn die Behandlung nicht zum gewünschten Erfolg, bzw. zur Heilung des Pferdes führt.

Ausnahme: Ankaufsuntersuchung

Der BGH hat in seinem Urteil vom 26.01.20112 (Az: VII ZR 164/11) festgestellt, dass die Ankaufsuntersuchung als Werkvertrag zu qualifizieren ist. Der Tierarzt ist bei einer Ankaufsuntersuchung eines Pferdes nicht nur verpflichtet, die Untersuchung ordnungsgemäß durchzuführen, sondern er hat seinem Auftraggeber auch das Ergebnis, insbesondere die Auffälligkeiten des Pferdes mitzuteilen (und soweit angezeigt weitere differenzierende Untersuchungsdiagnostik vorzunehmen bzw. zu empfehlen). Der mit der Ankaufsuntersuchung beauftragte Tierarzt schuldet dabei einen fehlerfreien Befund. Erfüllt er seine Pflichten nicht, so haftet er, weil der Vertrag als Werkvertrag einzuordnen ist, auf Ersatz des Schadens, der bei dem Vertragspartner dadurch entstanden ist, dass er das Pferd aufgrund des fehlerhaften Befundes erworben hat.

Mangelhafte Ankaufsuntersuchung durch den Tierarzt – was nun?

Im Falle einer fehlerhaften Ankaufsuntersuchung ist es dem Käufer überlassen zu entscheiden, ob er den Verkäufer wegen Überlassung einer mangelhaften Kaufsache oder den Tierarzt wegen mangelhafter Durchführung der Ankaufsuntersuchung in Anspruch nehmen möchte. Etwas anderes soll allerdings dann gelten, wenn der Verkäufer unproblematisch zur Rückabwicklung des Kaufvertrages bereit ist. In diesem Fall soll nach Treu und Glauben die Rückabwicklung des Kaufvertrages vorrangig sein. Gibt der Verkäufer jedoch zu erkennen, zur Rückabwicklung nicht bereit zu sein, so hat der Käufer die Wahl, ob er den Verkäufer oder den Tierarzt in Anspruch nehmen möchte. Der BGH hat hierzu deutlich gemacht, dass die Haftung des Tierarztes gegenüber der Haftung des Verkäufers nicht nachrangig ist.

Aufklärungspflichten des Tierarztes

Wie in der Humanmedizin auch unterliegt ein Tierarzt strengen Aufklärungspflichten über Behandlungsmöglichkeiten, Behandlungsalternativen, Operationsmethoden und die Risiken der jeweiligen Behandlung.

Die Kastration eines Pferdes kann beispielsweise sowohl stehend als auch liegend erfolgen und sollte an der körperlichen und gesundheitlichen Beschaffenheit des Pferdes angepasst erfolgen. Der Tierarzt ist verpflichtet, über die unterschiedlichen Operationsmethoden nebst Risiken umfassend aufzuklären.

Diagnose- oder Behandlungsfehler – Haftung des Tierarztes?

Ein Diagnose- oder Behandlungsfehler des Tierarztes führt nicht unmittelbar zu einer Haftung! Durch einen Schaden kann man also nicht automatisch auf eine Haftung des Tierarztes schließen. Wesentlich ist, dass zwischen der Pflichtverletzung des behandelnden Tierarztes und dem eingetretenen Schaden ein kausaler Zusammenhang besteht. Mit anderen Worten: durch den Diagnose- oder Behandlungsfehler des Tierarztes, welcher bei ordnungsgemäßem Vorgehen des Tierarztes hätte vermieden werden können, wäre es nicht zu dem Schaden gekommen.

Wer trägt die Beweislast für einen Behandlungsfehler?

Grundsätzlich ist im Zivilprozess derjenige, der einen Anspruch geltend macht, für die Behauptung auch darlegungs- und beweisbelastet. Der Pferdeeigentümer oder -besitzer muss also grundsätzlich beweisen, dass dem Tierarzt ein Diagnose- oder Behandlungsfehler unterlaufen ist.

In der Humanmedizin greift bei einem schwerwiegenden Behandlungsfehler des Arztes eine Beweislastumkehr. D.h. der behandelnde Arzt muss beweisen, dass sein Behandlungsfehler nicht die Ursache der nachfolgenden Gesundheitsschädigung war.

Mit Urteil vom 10.05.2016  (Az: VI 247/15) hat der BGH nun entschieden, dass die in der Humanmedizin entwickelten Rechtsgrundsätze zur Beweislastumkehr bei groben Beratungsfehlern, bei welchen der Tierarzt eine Sorgfaltspflichtverletzung begangen hat, auch im Rahmen der tierärztlichen Behandlung anzuwenden sind. Mit anderen Worten: Der Tierarzt hat bei einem groben Behandlungsfehler folglich die volle Beweislast zu tragen, also zu beweisen, dass dieser Fehler nicht für den anschließend entstandenen Schaden verantwortlich ist.