Haftung bei scheuendem Pferd und LKW

Wie wichtig vorausschauendes Verhalten im Straßenverkehr ist, zeigt ein Fall mit welchem sich das OLG Celle in seinem Urteil vom 10.04.2018 beschäftigt hat. Ein 13-jähriges Mädchen war mit ihrer Ponystute im Straßenverkehr auf der rechten Fahrbahnseite unterwegs. Als sie den entgegenkommenden Lkw (eine Sattelzugmaschine mit Auflieger) registrierte, parierte sie ihr Pony zum Halten durch und stellte es auf dem aus ihrer Sicht rechten Seitenstreifen mit dem Kopf des Pferdes in Richtung Fahrbahn. Dabei blieb sie auf dem Pferd sitzen.

Der Fahrer des Lkw verlangsamte zwar seine Geschwindigkeit und lenkte den Lkw aus seiner Fahrtrichtung nach rechts. Dabei hielt er jedoch nicht den erforderlichen Sicherheitsabstand von 1,50 bis 2,00 m zu Pferd und Reiterin ein. Als der Lkw das Pferd und Reiterin etwa zur Hälfte passiert hatte, scheute das Pferd. Ob es hierbei zu einer Berührung mit dem Lkw gekommen ist, konnte nicht abschließend geklärt werden. Jedenfalls verletzte sich das Pferd schwer und musste aufgrund der erheblichen Verletzungen eingeschläfert werden. Die Eigentümerin des Pferdes machte nun Schadensersatzansprüche im Hinblick auf die entstandenen Behandlungskosten und den Wert des Pferdes geltend.

Anhalten reicht nicht aus

Das OLG Celle stellte fest, dass die Klägerin nur einen Anspruch in Höhe von 50% der geltend gemachten Forderung habe. Dies deshalb, da die Unfallbeteiligten jeweils zur Hälfte zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben und somit eine Haftungsquote von 50 zu 50 gegeben sei.

Das OLG Celle stellte basierend auf der Beweisaufnahme fest, dass der Lkw-Fahrer den erforderlichen Seitenabstand von 1,50 bis 2,00 m nicht eingehalten habe. Dies obwohl dem Fahrer die Einhaltung dieses Sicherheitsabstandes bei Nutzung des Randstreifens möglich gewesen wäre.

Hinsichtlich der Reiterin ging das Gericht davon aus, dass diese sich in der fraglichen Situation nicht so verhalten habe, wie es die erforderliche Sorgfalt geboten hätte. So war aus Sicht des Gerichts das Anhalten und Schrägstellen des Pferdes zur Fahrbahnmitte allein nicht ausreichend. Zu bedenken sei, dass es sich bei Pferden um Fluchttiere handele. Ein Reiter müsse deshalb wissen, dass ein Pferd sowohl durch das Geräusch und insbesondere durch die pure Anwesenheit eines großen, sehr dicht passierenden Lkw irritiert oder unruhig wird und schließlich scheut und dabei verunfallt. Eine besondere Gefahrensituation entstand dadurch, dass das Pferd in Richtung des Lkw gestellt wurde und damit bei einer fluchtartigen Reaktion gerade in Richtung des Lkw rennt.

Hinzu kommt, dass es sich bei einem Pferd um einen dem Menschen in Bezug auf Gewicht und Körperkraft erheblich überlegenes Lebewesen handelt. Für den Fall, dass ein Pferd durchgeht ist es regelmäßig nicht zu kontrollieren. Angesichts dieser Umstände war aus Sicht des Gerichts vorhersehbar, dass die Begegnungssituation potentiell gefährlich sein wird. Selbst wenn das streitgegenständliche Pferd an den Straßenverkehr grundsätzlich gewöhnt war.

Was die Reiterin hätte tun können

Im Hinblick auf die generelle Gefahrensituation hätten der Reiterin aus Sicht des Gerichts mehrere Handlungsalternativen zur Verfügung gestanden, um die Situation zu entschärfen oder zumindest die Gefahr zu reduzieren:

  1. Die Reiterin hätte sich rechtszeitig vom Pferd absitzen und es am kurzen Zügel führen können.
  2. Auch hätte die Reiterin ein Stück zurückreiten können, um die Begegnung mit dem Lkw an einer breiteren Stelle zu ermöglichen.
  3. Letztlich hätte sie ggfls. auch eine Verständigung mit dem Fahrer des Lkw herstellen können.

Durch das Sitzenbleiben auf dem Pferd und Anhalten habe die Reiterin nicht alle Maßnahmen ergriffen, um die Gefahr abzumildern. Aufgrund dessen erachtete das OLG Celle ein Mithaftung in Höhe von 50% für begründet.

Im Zweifel auf Nummer sicher gehen

An diesem Fall werden die potentiellen Gefahren im Straßenverkehr nochmals deutlich. Selbst im Straßenverkehr routinierte Pferde können – aus welchem Anreiz auch immer – unerwartet reagieren, was schnell zu einer Gefahrensituation führen kann. Im Straßenverkehr sollten Reiter daher immer wachsam und vorausschauend agieren.

Leider lässt sich immer wieder beobachten, dass Lkw-Fahrer, respektive Fahrer mit großen Fahrzeugen wie Bussen, den Sicherheitsabstand nicht einhalten, viel zu dicht auffahren oder sogar hupen und dass Pferd und Reiter hierdurch unter Stress und Aufregung geraten. Das Resultat ist leider, dass man für alle anderen Verkehrsteilnehmer mitdenken muss und orientiert an der Situation agieren muss.